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Die Herausforderung, in Würde zu leben bis zuletzt

Palliativtag

3. Palliativ- und Hospiztag in Bad Godesberg

Es sind Themen, die jeden Menschen, die gesamte Gesellschaft betreffen: Tod und Trauer. Die dennoch immer noch zu oft tabuisiert oder verdrängt werden. Ohne Schmerzen leben, liebevoll begleitet sein, das ist der Wunsch aller – der Sterbenden, der Angehörigen.

„Dies ist eine Herausforderung und wir möchten hier auch wichtige Impulse in der öffentlichen Diskussion setzen, dass Sterbebegleitung in einer Weise geschieht, die der Würde des Menschen entspricht“ so Pfarrer Dr. Wolfgang Picken. Die Würde und das würdevolle Leben bis zuletzt standen beim 3. Palliativ- und Hospiztag am 11. Oktober 2018 unter der Schirmherrschaft von Prof. Dr. Ursula Lehr, organisiert von der Bürgerstiftung Rheinviertel, des CBT-Wohnhauses Emmaus, des St. Vinzenzhauses und des Caritasverbandes für die Stadt Bonn im Zentrum aller Vorträge und Diskussionen. 170 Teilnehmer kamen zu diesem Tag in die Redoute nach Bad Godesberg, betroffene Angehörige, medizinische und pflegende Fachkräfte und ehrenamtlich Engagierte.

Aspekte wie die Begleitung Schwerstkranker, ein Leben mit Demenz, die gegenseitige Sorge für einander standen an diesem Tag im Mittelpunkt der Fachvorträge. Claudia Middendorf, Patientenbeauftragte der Landesregierung würdigte das vielfältige Engagement der ehrenamtlichen und hauptamtlichen Mitarbeitenden in der palliativ-hospizlichen Versorgung in NRW. Fragen, die dabei auch unter den Teilnehmern aufgeworfen wurden, widmete sich eine Podiumsdiskussion rund um den Kernaspekt: Wie sollte eine Versorgung in der letzten Lebensphase aussehen? Angeregt diskutierten darüber Gerda Graf, Ehrenvorsitzende des Deutschen Hospiz- und Palliativ Verbandes sowie Vorstand der Hospizbewegung Düren-Jülich, Professor Dr. Andreas Kruse, Direktor des Instituts für Gerontologie der Universität Heidelberg, Dr. Klaus Fließbach vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen der Universitätskliniken Bonn und Pfarrer Dr. Wolfgang Picken, Vorsitzender der Bürgerstiftung Rheinviertel.

„Es wird uns nicht gelingen, unser Sterben und unseren Tod bis ins Letzte zu planen“, sagte Gerda Graf, „aber Sorgekultur braucht eine Vorsorgeplanung“. Sie forderte dazu auf, auch in der Familie frühzeitig über den Tod, die eigenen Wünsche und Vorstellungen zu sprechen. Dr. Andreas Fließbach betonte, wie wichtig die Haltung gegenüber dementen und sterbenskranken Menschen ist. „Wir brauchen die Fähigkeit, eine Demenzerkrankung auch als etwas zu sehen, dass einen Wert hat, dass der daran erkrankte Mensch sich weiter entwickeln kann.“ Voraussetzung dafür sind Zeit und Kompetenz, die wichtigsten Ressourcen für ein würdevolles Leben bis zuletzt, so die einhellige Meinung aller Experten der Podiumsdiskussion. Dafür aber sei die Vernetzung von Angehörigen, medizinischen und pflegenden Fachkräften sowie der ehrenamtlich Engagierten die wichtigste Voraussetzung. „Pflege und Versorgung sind nicht nur primäre Aufgabe der ausgebildeten Pflegenden, sondern es sind gesamtgesellschaftliche Aufgaben. Wenn die Pflege nicht gesamtgesellschaftlich gestützt wird, führt es zu einem Kollaps der Professionellen“, sagte Pfarrer Dr. Picken. Eine Bürgerschaft, die Engagement übernimmt, eine sorgende Gemeinschaft, das, so Professor Dr. Andreas Kruse, sei „eine wahnsinnige Chance des demografischen Wandels“, die es zu ergreifen gelte.

Wie all diese Forderungen im Alltag tatsächlich umgesetzt aussehen können, darüber konnten sich die Teilnehmer des Palliativ- und Hospiztages übrigens in der „Lebenden Bibliothek“ informieren. An elf Tischen warteten „Lebende Bücher“, die die Themen Palliative Care, Demenz, Sterben, Tod und Trauer aus der Tabu-Ecke herausholten und offen ansprachen. Kompetente Gesprächspartner berichteten von ihren persönlichen Erlebnissen und Erfahrungen und beantworteten direkt konkrete Fragen der Teilnehmer. Claudia Reifenberg, Palliativschwester vom Ambulanten Palliativdienst Bad Godesberg, öffnete sich beispielsweise als „lebendes Buch“ und erzählte erlebte Geschichten, wie die von einem letzten Kölsch am Rhein mit einem Palliativpatienten. Andrea Siedler sprach über schöne, aber auch schwierige Zeiten als pflegende Enkelin zuhause. Und Tina Müller, Gemeindeschwester der evangelischen Thomas-Kirchengemeinde, erzählte interessierten Zuhörern wie es ist, das Vergessen auch mal zu vergessen.

Die Bürgerstiftung Rheinviertel finanziert seit 2006 „Integrierte Hospize“ im CBT Wohnhaus Emmaus und St. Vinzenzhaus, seit 2009 auch den Ambulanten Palliativdienst Bad Godesberg in Kooperation mit dem Bonner Caritasverband. Ziel ist es, ein menschenwürdiges Leben bis zum letzten Atemzug zu ermöglichen, Linderung der Schmerzen zu erreichen und dem Sterbenden größtmögliche Lebensqualität zu verschaffen, ebenso den Angehörigen beizustehen.

Fotos: Martin Lösser, Maria Menger und Matthias Kehrein